Treptow-Köpenick planvoll gestalten statt kopflos verdichten

 - Erhalt der grünen Innenhöfe -

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick wird aufgefordert, auch in Treptow-Köpenick die Berücksichtigung von Klimaanpassung und Klimaschutz in der Stadtplanung und Stadtentwicklung zu etablieren. Es ist ein Klimaleitfaden zu entwickeln, welcher das Bezirksamt dazu verpflichtet, notwendige Maßnahmen zu prüfen, zu berücksichtigen und in Handeln umzusetzen, sowohl im Rahmen von Städtebauplanerischen Sanierungsmaßnahmen gemäß § 136 Abs. 2 Nr. 1 BauGB als auch bei der Erstellung von Bauleitplänen und bei Nachverdichtungsprojekten nach § 34 BauGB.

Bei Entscheidungen über Bauanträge ist die Entwicklung der sozialen Infrastruktur (u.a. Schulbildung, Kinderbetreuung, Gesundheits- und medizinische Versorgung, Seniorenversorgung), die Förderung der grünen Infrastruktur, der Schutz von Natur- und öffentlicher Grün-/Spielflächen sowie der zu erwartenden Verkehrszuwachs stets zu berücksichtigen. Bauanträge sollen zukünftig auf der Grundlage des Klimaleitfadens mit dem Ziel bewertet werden, dem Klimanotstand entgegenzusteuern und gleichzeitig die besondere Wohnqualität der Kieze zu erhalten.
Wir fordern das Bezirksamt und die BVV Treptow-Köpenick auf, alle geplanten Bauvorhaben in Bezirk Treptow-Köpenick unter den o.g. Prämissen zur Abmilderung des Klimanotstands in Berlin, sowie in einer Umweltverträglichkeits- und Infrastrukturanalyse zu untersuchen und soweit erforderlich Bebauungspläne gem. § 1 Abs. 3 BauGB aufzustellen.

Wir fordern das Bezirksamt dazu auf, im Gebiet “Neue Krugallee/Eichbuschallee/Köpenicker Landstrasse/Bulgarische Strasse“ einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan zu beschließen. Derart soll u.a., der, im Falle der Bebauung nach § 34 BauGB resultierenden, weiteren Entstehung von Städtebaulichen Missständen nach § 136 Abs. 2 Nr. 1 BauGB insbesondere hinsichtlich Klimaschutz und Klimaanpassung entgegengewirkt werden.

Der grüne Innenhof im Gebiet Am Plänterwald/Orionstrasse soll in seiner Funktion als multifunktionale Fläche mit zentraler Bedeutung für das Lokalklima und die Regenwasser-Versickerung u.a. bei Starkregenereignissen, als Natur-, Grün- und Spielfläche mit Spielplatz sowie als generationenübergreifender sozialer Treffpunkt des Wohngebietes in seiner jetzigen Form für die Nachbarschaft und das Quartier erhalten bleiben und weiterentwickelt werden.
BI Plänterwald vertreten durch:

Katja Brauer, Julia Krstic, Annabell Dutschmann
Namen der Kontaktpersonen der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Antrages

Begründung:

Trotz der voranschreitenden Veränderungen des Klimas und der dadurch entstehenden erheblichen Beeinträchtigungen, soll Treptow-Köpenick ein grüner und lebenswerter Stadtteil bleiben. Hierfür bedarf es schon heute weitsichtiger städtebaulicher Planungen, um die Lebens- und Wohnverhältnisse der Anwohnerinnen auch zukünftig auf die Veränderungen anzupassen. Um eine breite Zustimmung aus der Bevölkerung für diese gesamtgesellschaftliche Herausforderung zu erhalten, bedarf es bei städtebaulichen Planungen eines breiten Beteiligungsprozesses, indem die Bürgerinnen zeitnah und mit Vorlauf informiert und einbezogen werden. Jede städtebauliche Entwicklung sollte die sozialen, wirtschaftlichen umweltschützenden und klimatischen Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringen, und einem dem Wohl der Allgemeinheit dienende, sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bürger*innen gewährleisten. Sie sollte dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Mit der Anerkennung des „Klimanotstandes“ (siehe hierzu Beschluss des Abgeordnetenhaus Berlin vom 30.01.2020) hat das Land Berlin die Dringlichkeit zur Handlung erkannt.

Bei einer städtebaulichen Planung unter Berücksichtigung des Klimawandels sind nachfolgende Aspekte grundsätzlich mitzudenken.
In den angeführten Erläuterungen beziehen wir uns bespielhaft auf das oben bezeichnete Gebiet und hierbei im Besonderen auf die geplante Nachverdichtung nach § 34 BauGB, durch den Bauträger Stadt und Land als “Am Plänterwald/ Neue Krugallee 22/ Orionstraße, 12435 Berlin” bezeichnet. In diesem Fall, wie vielen weiteren Bauvorhaben in Treptow-Köpenick wird beispielhaft deutlich, dass auch Vorhaben zur Nachverdichtung einer planvollen Berücksichtigung des Umfelds bedürfen.

Klima, Grünflächen und Gesundheit

Im genannten Gebiet leistet der große zusammenhängende und begrünte Innenhof einen essentiellen Beitrag zu gesunden Wohnverhältnissen und hat eine städtebauliche Qualität, die bei sich vollziehender Nachverdichtung im Innenhof gefährdet wäre. Mit Blick auf notwendige Strategien zur Anpassung der Stadt an den Klimawandel sollen diese begrünten Bereiche geschützt, erhalten und ggf. weiterentwickelt werden. An heißen Sommertagen messen die Anwohner*innen schon jetzt regelmäßig Temperaturen über 30 Grad Celsius in ihren Wohnungen. Aufgrund der Bauweise, -substanz und der schwarzen Flachdächer heizen die Gebäude bereits heute schneller auf, als dies beispielsweise Altbauwohnungen oder Einfamilienhäuser tun. In den Dachgeschosswohnungen sind im Sommer Temperaturen von bis zu 4-5 Grad Celsius über den Außentemperaturen schon jetzt Normalität. Durch die Veränderung des Klimas werden zukünftig über einen längeren Zeitraum heißere Tage prognostiziert. Das international anerkannte Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung prognostiziert für Berlin für die Periode 2031 - 2060 künftig einen Mittelwert von 16 Hitzetagen bei einem Mittelwert von knapp 33°C bei der Hitzeintensität1. Abwechslungsreich bewachsene Grünflächen mit ausgewachsenen Baumbeständen und Kaltluftschneisen sind wichtige Bestandteile der Anpassung an den Klimawandel in Städten, da sie essentiell für ein gesundes, kühles Mikroklima sind. Die Versiegelung von Grünflächen, die Fällung alter Baumbestände sowie der Wegfall von Kaltluftschneisen forcieren hingegen das Phänomen der städtischen Hitzeinsel.
Bisher senken im genannten Gebiet Grünflächen mit vielfältiger Vegetation und einem mehr als 80 Jahre alten Baumbestand die Lufttemperatur durch Beschattungs- und vor allem Verdunstungskühle. Dies senkt weiterhin den Energieverbrauch durch die Vermeidung der Nutzung von Klimaanlagen.2
Für das Gebiet ist die Fällung von 34, teils jahrzehntealten, Bäumen sowie ungezählten kleineren, untermaßigen Bäumen und Gebüschen geplant. Der Bauherr plant weiterhin die gefällten Bäume direkt vor Ort in nicht der gleichen Anzahl wieder zu ersetzen. Hierbei ist auch zu beachten, dass nach Fällungen neugepflanzte junge Bäume erst nach Jahrzehnten wieder im gleichen Umfang wie alte Bäume kühlen können. Weiterhin soll durch die geplante Nachverdichtung der Innenhof zu einem Großteil versiegelt werden. In Konsequenz ist zu erwarten, dass die allein durch den Klimawandel bereits ansteigende mittlere Lufttemperatur, durch die versiegelten Flächen mit ihrer erhöhten Wärmekapazität vor Ort noch weiter ansteigen wird.3 Die dadurch zunehmenden Hitzebelastungen sorgen nachgewiesenermaßen für eine Zunahme von chronischen Atemwegs-, Kreislauf-, Herzkrankheiten, Allergien und Hitzetoten. Ohne die Berücksichtigung von gesundheitlichen Einschränkungen ältere Anwohner*innen und anderen Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen wird dieser Personenkreis durch eine planlose Nachverdichtung gesundheitlich belastet werden.4

Durch den Klimawandel erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit von Starkniederschlagsereignissen. Dies wurde in Berlin bereits im Jahr 2017 und aktuell durch die furchtbaren Ereignisse im Westen Deutschlands deutlich. Auch in Treptow-Köpenick muss im Rahmen der Stadtentwicklung und -planung berücksichtigt werden, dass bei Starkniederschlagsereignissen extreme Regenintensitäten und Niederschlagsmengen4, von den Böden aufgenommen werden müssen. Durch die immer weiter voranschreitende Versiegelung von Bodenoberflächen erhöht sich dem entgegenstehend jedoch der Oberflächenabfluss und damit die Gefahr von Überschwemmungen und Erosion.5

Verkehr

Die Situation des ruhenden Verkehrs ist bereits aktuell im Gebiet Plänterwald sehr angespannt. Durch die Nachverdichtung der Stadt und Land sollen vorhandene Stellplätze reduziert und verlagert werden, bei einem gleichzeitig ansteigenden Bedarf an Stellplätzen durch verschiedene Vorhabenträger im Gebiet Plänterwald. Die wird zwar aus klimapolitischer Sicht nicht grundsätzlich kritisiert, zeigt aber deutlich, dass eine übergeordnete Planung für das Gebiet fehlt. Für das Neubauvorhaben der Stadt und Land wird eine Verlagerung von Stellplätzen als Seitenparker*innen auf umliegende öffentliche Straßen angekündigt. Bereits heute sind jedoch diese umliegenden Straßen (Am Plänterwald, Orionstrasse, Galileistrasse, Neue Krugallee, Köpenicker Landstrasse, Dammweg) ab dem Abend und am Wochenende voll geparkt, ausreichende Stellplatzkapazitäten für die angekündigte Verlagerung auf öffentliche Straßen sind bereits heute nicht gegeben. Die Straße “Am Plänterwald“ wird beidseitig beparkt. Dies geschieht bereits heute regelmäßig derart eng, dass nachgewiesenermaßen bei Notfällen Feuerwehrautos an den Innenhöfen liegende Wohngebäude nicht durchgehend erreichen können. Hieraus ergibt sich bereits aktuell die Notwendigkeit, eine Straßenseite dieser Straße mit Halteverboten zu belegen. Dies wird die Stellflächen weiter reduzieren. Parallel zum Bauvorhaben der Stadt und Land wird eine neue Wohnanlage in der Eichbuschallee entwickelt. Zusätzlich wird z.Zt. das Gebiet des Spreeparks als Kultur- und Naturentdeckungsort entwickelt. Auch hier wird ebenfalls nur eine geringe Anzahl von Stellplätzen für PKW vorgehalten, so dass davon auszugehen ist, dass Besuchende des Spreeparks durch ihre Suche nach Parkplätzen im direkten Umfeld des Spreeparks zusätzlichen rollenden und stehenden Verkehr erzeugen werden. Weiterhin wird es neue und zusätzliche Verkehrsströme und -belastungen durch die z.Zt. im Bau befindliche Abfahrt der A100 geben. All diese Punkte haben Auswirkungen auf das Gebiet, werden aber bisher in der Planung des Gebietes nicht zusammengeführt berücksichtigt.
Eine die Verkehrswende unterstützende Planung von Stellflächen für Rad-Mobilität, die der Anzahl und den Bedürfnissen der Bewohner*innen angemessenen ist, wurde von Stadt und Land bisher in ihren Planungen gar nicht berücksichtigt.

Infrastruktur

Schon jetzt besteht im Wohngebiet Plänterwald eine Unterversorgung in mehreren Bereichen der öffentlichen und privaten Daseinsvorsorge. Besonders die soziale Infrastruktur ist nicht ausreichend. Im Gebiet fehlt es u.a. an medizinischer Versorgung (u.a. Ärzt*innen), Angeboten der Kinderbetreuung, sozialen Einrichtungen und Einkaufsmöglichkeiten. Trotz dieser Unterversorgung wird bei allen Bauprojekten nach §34 BauGB diese Unterversorgung nicht angegangen.

Bei derartigen Vorhaben wird auch beispielsweise die Spielflächenschaffung gemäß § 8 Abs. 2 BauO Bln weder kontrolliert noch hinreichend von den Bauträgern durchgeführt. Die ersatzweise Schaffung öffentlicher Spielflächen wird ebenfalls weder proportional noch zeitgleich zum wachsenden Kinderreichtum des Kiezes nachgezogen. So kann der öffentliche Spielplatz „Weltspielplatz“ das Gebiet Plänterwald nicht angemessen versorgen, da er intensiv von Familien aus den umliegenden Bezirken besucht wird und eine reine Berechnung nach der umliegenden Bevölkerung die reale Nutzungssituation nicht adäquat widerspiegelt.
Eine Genehmigung nach §34 BauGB behebt die Unterversorgungen der öffentlichen und privaten Daseinsvorsorge nicht und kann sie nicht planvoll bearbeiten. Im Gegensatz hierzu sollte dies mit dem Erstellen eines Bebauungsplanes planvoll behoben werden.

Zusammenfassung

Gem. § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Somit ist die Gemeinde verpflichtet, Bebauungspläne zu erstellen, sobald Städtebauliche Missstände, wie im § 136 Abs. 2 und 3 beschrieben, bestehen oder in naher Zukunft eintreten.
Die Bauleitpläne sind jedoch gem. § 2 Abs. 1 BauGB von der Gemeinde in Eigenverantwortung zu erstellen. Somit liegt es im weiten planerischen Ermessen der Gemeinde Städtebauliche Missstände als solche zu erkennen und zu beheben. Im Zuge des Klimawandels erscheint es mehr als verantwortungslos, für die derzeit hier lebenden Menschen aber auch für nachfolgende Generationen, städtebaulich nach § 34 BauGB zu planen und den Aspekt des Klimawandels komplett auszusparen. Nur mit einem städtebaulichen Klimaleitfaden und dem Aufstellen von Bebauungsplänen, die neben Klimanpassung und Klimaschutz auch die planvolle Entwicklung der Infrastruktur berücksichtigen, wird Treptow-Köpenick auch zukünftig ein grüner und lebenswerter Bezirk für alle bleiben können.

1 vgl. Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung 2021: Kritikalität von regionalen Wettermustern: gestern, heute & zukünftig, https://www.pik-potsdam.de/db-klimastudie/
2 vgl. Bund Naturschutz 2021: https://www.bund-naturschutz.de/natur-und-landschaft/stadt-als-lebensraum/stadtbaeume/funktionen-von-stadtbaeumen
3 vgl. Henninger 2011, Stadtökologie, S. 14f.; vgl. Umweltbundesamt, korrigierte Fassung vom 06.02.2020: Klimaanpassung in der räumlichen Planung, S. 56ff.
4 vgl. Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung 2021: Kritikalität von regionalen Wettermustern: gestern, heute & zukünftig, https://www.pik-potsdam.de/db-klimastudie/
5 vgl. Henninger (Hg.) 2011: Stadtökologie, S. 17.

Hier zum Download:

Einwohner_innenantrag.pdf

 


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